Spitzenchor fesselt in der Stadtkirche mit starkem Auftritt
Vocalensemble „Cantus“ macht mächtig Eindruck
BAD PYRMONT. Ein Erlebnis, das unter die Haut ging, bescherte das Vocalensemble „Cantus“ seinem Publikum am Samstagabend in der voll besetzten Stadtkirche. Chorleiterin Annette Schmidt-Höngen, ohnehin für ihr empathisches und dynamisches Dirigat bekannt, führte den Chor mit seinen 30 Mitgliedern wieder zu einer Höchstleistung in der A cappella-Musik.
Das Konzertprogramm enthielt anspruchsvolle Werke des 18. Jahrhunderts bis in die Neuzeit, wobei der Anteil des walisischen Komponisten Sir Karl William Pamp Jenkins mit vier Stücken einen großen Anteil ausmachte. Sein „God shall wipe away all tears“ gab dem Konzert den Titel, doch den Zuhörern ging besonders das weltbekannte „Adiemus“ ins Ohr, das zum Schluss des Konzertes unter dem Titel „Cantate Domino“ erklang. Das hatte schon einen gehörigen Gänsehautfaktor, jedoch entfalteten „The Shepherd“ und „Exsultate, Jubilate“ ebenfalls einen eigentümlichen und berührenden emotionalen Reiz. Bedrückend intensiv das „Wie liegt die Stadt so wüst“ des Kreuzkantors Rudolf Mauersberger, der diese Trauermotette unter dem Eindruck der Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg geschrieben hatte. Als Teil seines „Zyklus Dresden“ beruht sie auf den Klageliedern Jeremias, deren ausdrucksstärkste Sätze Mauersberger dazu auswählte.
Getragen und inbrünstig schwebte das „Kyrie eleison“ von Josef Rheinberger durchs Kirchenschiff. Mit einer Vielzahl von Kompositionen war der 1839 in Vaduz geborene Organist einer der erfolgreichsten Komponisten seiner Zeit und wird allmählich wieder neu entdeckt. Mit den „Litanies“ für Orgel gönnte der Detmolder Organist Michael Schmidt dem Chor eine Erholungspause. Dieses Stück ist wohl das bekannteste Orgelwerk des französischen Komponisten Jehan Alain und beruht auf einem Thema von Achtel- und Viertelnoten, das in immer neuen Variationen eine dramatische Steigerung bis hin zur Ekstase erfährt. Schmidts Interpretation erschien gewaltig, und man musste sich konzentrieren, um den Intentionen des Komponisten folgen zu können.
Die beiden Stücke des Norwegers Ola Gjeilo, „Ubi caritas“ und „Unicornis captivatur“, hatten einen fast mittelalterlichen Anklang, da das letztere seine Wurzeln im Engelbert-Codex aus dem 15. Jahrhundert hat. Zwei gleichlautende Titel, zwei völlig unterschiedliche Eindrücke: „Meinen Jesum lass ich nicht“ ist der Titel des Choralvorspiels aus Op. 67 für Orgel von Max Reger wie auch für die Fughette aus den Choral-Improvisationen Op. 65 für Orgel des besonders als Komponist für Orgel profilierten Sigfrid Karg-Elert. Mit diesen Stücken spielte Michael Schmidt seine ganze Virtuosität und Brillanz an der neobarocken Führer-Orgel aus, und das Publikum genoss einen Abend auf höchstem Niveau.